Vielleicht kennst du als Selbstständiger diese Situation: Ein Kunde bittet dich nach der Auftragsvergabe um einen Zahlungsaufschub. Um den Kunden zu behalten, gehst du darauf ein. Du erledigst den Auftrag wie vereinbart, erstellst aber eine Rechnung mit einem Zahlungsziel von 30 bis 90 Tagen anstatt der üblichen 7 bis 14 Tage.
Bis die Zahlung erfolgt, vergehen also nach Auftragsabschluss bis zu 90 Tage. Eventuell sogar mehr, wenn der Kunde in Zahlungsverzug kommt. In dieser Zeit steht dir das Geld, für das du bereits eine Leistung erbracht hast, nicht zur Verfügung. Aus diesem Grund nutzen mittlerweile immer mehr Selbstständige Factoring zur Rechnungsvorfinanzierung.
Was ist Factoring und wie funktioniert es?
Entscheidest du dich als Selbstständiger für Factoring, verkaufst du deine offenen Rechnungen an ein Factoringunternehmen. Nach Rechnungsprüfung zahlt dir dieses bis zu 90 % des offenen Rechnungsbetrages. Der Rest wird nach Zahlung der Rechnung beglichen. Die Kosten für den Forderungsankauf werden dir entweder regelmäßig in Rechnung gestellt oder direkt von den Auszahlungen abgezogen. Mit dem Abtreten der offenen Forderungen ergeben sich für dich einige Vorteile:
● Du musst nicht mehr wochen‑ oder monatelang auf den Geldeingang warten.
● Du musst den Zahlungseingang nicht kontrollieren.
● Du musst dich bei Zahlungsverzug nicht mit dem Schreiben von Mahnungen befassen.
Grundsätzlich läuft das Factoring immer zwischen drei Parteien ab:
● dem Selbstständigen
● dem Factoringunternehmen, beispielsweise einem Kreditinstitut oder einem Finanzdienstleister
● dem Schuldner
Dabei wird zwischen echtem und unechtem Factoring unterschieden.
Was ist echtes Factoring?
Beim echten Factoring überträgst du als Selbstständiger die gesamte offene Rechnung an den Factor. Damit geht auch das Risiko eines Zahlungsausfalls auf ihn über. Du als Selbstständiger musst aber die Rechtmäßigkeit der entstandenen Forderungen gewährleisten und kannst dafür haftbar gemacht werden.
Was ist unechtes Factoring?
Wenn du dich als Selbstständiger für das unechte Factoring entscheidest, bleibt das Risiko eines möglichen Zahlungsausfalls bei dir als Leistungserbringer. Du überträgst lediglich die Forderungen an den Factor. Bei dieser Methode entstehen dir geringere Kosten für die Rechnungsvorfinanzierung. Genau wie beim echten Factoring musst du aber für die Rechtmäßigkeit der Forderungen haften.
Factoring für Selbstständige – ein Beispiel
Um zu veranschaulichen, wie das Factoring für Selbstständige funktioniert, wird dieses nun anhand eines Beispiels erläutert.
- Wenn du dich als Selbstständiger für das Factoring entscheidest, schließt du einen Vertrag mit einem Factoringunternehmen ab. In dem Vertrag stehen:
● die Art der Forderungen
● der Höchstbetrag aller Forderungen, die du an das Unternehmen verkaufen kannst
● die Maximallaufzeit der vereinbarten Zahlungstermine
● die anfallenden Zinsen, die du für die vorfinanzierten Rechnungen zahlen musst
● die Höhe des Sicherungseinbehalts
● die vereinbarten Factoringgebühren
● die Gebühr für die jährlich stattfindende Bonitätsprüfung der Debitoren
● der Leistungsumfang des Factoringanbieters (z. B. Ausfallrisiko oder Mahnverfahren)
- Nach der Vertragsunterzeichnung übermittelst du dem Anbieter die Rechnungen der Kunden, für die du das Factoring in Anspruch nehmen möchtest. Innerhalb von ein bis zwei Werktagen hast du dann bis zu 90 % des fälligen Betrags auf deinem Konto.
- Anschließend ist die Arbeit für dich abgeschlossen und du kannst dich auf dein Kerngeschäft konzentrieren. Denn das Factoringunternehmen überwacht fortan die Zahlungseingänge und führt selbstständig Mahnläufe durch.
Für wen eignet sich Factoring?
Allgemein eignet sich das Factoring für Selbstständige und Freiberufler, die ihre Liquidität steigern möchten. Folgende Unternehmer können besonders davon profitieren:
● Onlinehändler und stationäre Einzelhändler
● Zeitarbeitsfirmen und Personaldienstleister
● Spediteure und Logistikunternehmen
● Handwerker
● Maschinenbauunternehmen
● Unternehmen in der IT‑Branche und im E‑Commerce-Sektor
● Pflegedienste
● Druckereien
Factoringanbieter
Es gibt zahlreiche Factoringanbieter in Deutschland. Viele davon sind im Deutschen Factoring Verband e. V. für große Factoringgesellschaften und dem Bundesverband Factoring für den Mittelstand e. V. (BFM) für KMU organisiert. Zu den bekanntesten Factoringunternehmen in Deutschland gehören:
● Fundflow: für Selbstständige und kleine Unternehmer. Die Gebühren beginnen bei 2,5 %.
● Rechnung.de: für Freiberufler, Unternehmen und Start-ups. Die Gebühren beginnen bei 0,5 %.
● Flex Payment: für kleine und mittelständische Unternehmen sowie Freiberufler. Es werden Rechnungen zwischen 50 bis 125.000 Euro übernommen.
● Rhein-Main-Factoring: für Selbstständige, Freiberufler und kleine oder mittelgroße Unternehmen. Die Gebühren beginnen bei 3 %.
Was zeichnet einen guten Factoringanbieter aus?
Angesichts der immer größer werdenden Zahl von Factoringanbietern solltest du wissen, worauf du als Selbstständiger achten musst, wenn du eine Factoringfirma beauftragst.
● Das Unternehmen sollte dir als Selbstständigen echtes Factoring anbieten.
● Gut ist, wenn der Anbieter das komplette Debitorenmanagement übernimmt.
● Es sollte sich um ein Unternehmen handeln, das neben dem Factoring weitere Branchenlösungen anbietet.
● Wähle einen Anbieter, der Mitglied in einem der genannten Factoringverbände ist – die Mitgliedschaft ist wie ein Qualitätssiegel.
● Das Unternehmen sollte eine Auszahlung nach maximal zwei Werktagen gewährleisten.
● Je mehr Service das Factoringunternehmen anbietet, desto besser – feste Ansprechpartner sind beispielsweise von Vorteil, um dich bei Rückfragen nicht immer von Neuem vorstellen zu müssen.
Fazit – lohnt sich Factoring für Selbstständige?
Factoring für Selbstständige kann sich in der Tat lohnen. Jedoch funktioniert es nur bei Rechnungen, die du an andere Unternehmer oder Selbstständige gestellt hast. Privatkunden werden von den Factoringanbietern nicht übernommen. Das Factoring bringt dir einige Vorteile: Du bekommst pünktlich dein Geld, musst keine Angst mehr vor Zahlungsausfällen haben und sparst durch das Abtreten des Mahnwesens und Inkassoverfahrens jede Menge Zeit und Ärger. Für diese Leistungen musst du eine geringe Gebühr bezahlen. Dafür bist du aber jederzeit liquide.